
Boniface Cissé, der EIRENE-Koordinator für die Friedensarbeit in der Region Sahel war im November anlässlich des Koordinator_innen-Treffens in der Geschäftsstelle zu Besuch. Wir haben die Gelegenheit genutzt, um mit ihm ein Interview zu führen.
Boniface, wie würdest Du die aktuelle Lage in Mali einschätzen?
„Zurzeit ist es in Mali für die Bevölkerung relativ ruhig. Aber die politische Lage ist doch eher angespannt. Das Militär hat immer noch die Macht, doch ein großer Teil der Bevölkerung wünscht sich eine zivile Regierung . In der letzten Zeit gab es in Mali weniger Überfälle durch bewaffnete Gruppen. Die Überfälle konzentrieren sich derzeit auf die Grenzregion zum Niger und nicht auf Zentral-Mali und den Süden, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Derzeit beginnen die Vorbereitungen für die Wahl im Februar 2023. Es wird derzeit an einer neuen Verfassung gearbeitet.“
Wie sieht die Friedensarbeit von EIRENE in dieser Situation aus, was macht ihr aktuell?
„Die Friedensarbeit von EIRENE ist derzeit nicht gefährdet, obwohl die Sicherheitslage vor allem in den abgeschiedenen Orten nicht immer gut ist. Wir müssen zusammen mit unseren Partnerorganisationen die aktuelle Lage jeweils gut im Blick haben, um keine Person zu gefährden. Die EIRENE-Partner haben in den letzten Monaten viele Aktivitäten durchgeführt, wie zum Beispiel Dialogveranstaltungen und andere Formate des Friedensjournalismus für die Prävention von Radikalisierung bei Jugendlichen.“
Wie versucht ihr Jugendliche vor Radikalisierung zu schützen?
„Wir konzentrieren uns auf die Präventionsarbeit. Die Jugendlichen werden gestärkt, dass sie nicht empfänglich für die Hassbotschaften der radikalen Gruppen sind. Unsere Friedensarbeit unterstützt die Jugendlichen auch dabei berufliche Zukunftsperspektiven zu gewinnen. Wir fördern Selbständigkeit und Resilienz.“
Wo erreicht ihr die Jugendlichen und wie sprecht ihr sie an?
„Wir arbeiten in Sikasso, Bamako und Koulikoro. Wir erreichen die Jugendlichen in ihrem gewöhnlichen Umfeld, zum Beispiel in Vereinen, in der Schule und an Universitäten. Wir benutzen viele Methode, dazu gehört auch das Marionetten-Theater. Der Vorteil dabei ist, dass die Jugendlichen mit Hilfe der Marionetten Themen ansprechen, über die sie sich normal nicht trauen zu sprechen. Konflikte und Gewalterfahrungen gehören dazu. Eine andere Methode ist das Forumtheater. Auch digitale Formate wie Podcasts werden genutzt.“
EIRENE arbeitet auch im Bereich Friedensjournalismus. Wie sieht die Arbeit in diesem Bereich aus?
„Wir arbeiten mit kommunalen Radios zusammen, dadurch erreichen wir verschiedene Bevölkerungsgruppen. Wir versuchen auch über die Radios die Bevölkerung über Fake News aufzuklären. Ein Teil der Bevölkerung ist wie auch in Deutschland sehr empfänglich für Fake News. In Mali kommt hinzu, dass ein Großteil der Bevölkerung Analphabeten sind und keinen Zugang zu zuverlässigen Nachrichten haben.“
Ein weiterer Schwerpunkt der EIRENE-Friedensarbeit ist die Konfliktbearbeitung beim Abbau von extraktiven Ressourcen speziell Gold. Wie kann ich mir die Arbeit vorstellen?
„Nur in bestimmten Regionen in Mali wird Gold abgebaut. Wir arbeiten in den Regionen Sikasso und Koulikoro. In der Region Sikasso gibt es handwerklichen sowie industriellen Goldabbau. In der Region Koulikoro dagegen gibt es nur handwerklichen Goldabbau. Handwerklicher Goldabbauf bedeutet, dass die Schürfer ohne schweres Gerät Stollen graben und von Hand die goldhaltige Erde waschen, um das Gold zu trennen. Es kommt durch den Goldabbau zu vielen Problemen, zum Beispiel durch die Verwendung von Quecksilber beim Waschen des Goldes. Dies ist eine Gesundheitsgefahr für die Goldwäscher_innen und die Bevölkerung, deren Grundwasser verseucht wird. Auch kommt es zu Landkonflikten, wenn auf Ackerland oder Weideland Gold entdeckt wird und die Bäuer_innen das Land nicht mehr produktiv nutzen können. Häufig geraten die Menschen sowie die Tiere in Gefahr durch die Stolleneingänge der verlassenen Goldminen. Das größte Problem ist aber, dass die Bevölkerung vom Abbau des Goldes nicht profitiert. Wir haben in den Siedlungen rund um die Minen Dialogstrukturen aufgebaut. Wir fördern die Selbstorganisation gegen Gewalt und etablieren Wege der fairen Konfliktbearbeitung.In Diskussionsveranstaltungen mit der Zivilgesellschaft in Dörfern und Radiodebatten in den kommunalen Radios melden sich die Betroffenen aus allen Perspektiven zu Wort.“
Boniface, vielen Dank für das Gespräch!