„Ein wenig Mut gehört schon dazu“
Ein lange gehegter Traum ging 2018 mit meinem Sabbatjahr für mich in Erfüllung. Und als ich alle Optionen, wie ich mein Sabbatjahr verbringen könnte (Nichtstun, um die Welt reisen, pilgern, Freund_innen besuchen, eine Weiterbildung machen, …) gründlich durchdacht hatte, fiel zum Jahreswechsel 2018 die Entscheidung für einen Freiwilligendienst. Nicht als Touristin reisen, sondern Alltag teilen, gemeinsam arbeiten, tief in Gewohnheiten und Mentalität einer anderen Kultur eintauchen, Menschen in ihren Handlungen und Einstellungen besser verstehen lernen, Begegnung mit Fremde/m erfahren, mich dadurch berühren und inspirieren lassen.
Meine beiden erwachsenen Kinder haben direkt nach dem Abitur einen Freiwilligendienst gemacht, für mich war das 1982 nach dem Abitur undenkbar. Aber ich fand die Erfahrungen, die unsere Kinder gemacht haben, sehr bereichernd und aufregend.
Und für mich war klar, wenn ich einen Friedensdienst leiste, dann mit EIRENE! Warum?
Unsere Tochter Rebekka hat ihren Friedensdienst mit EIRENE in Marokko gemacht, unser Sohn war mit einer anderen Organisation in Indonesien. Aus der Perspektive einer Mutter war die Vor- und Nachbereitung des Dienstes und die Betreuung während der Zeit im Ausland durch EIRENE sorgfältig und intensiv. Außerdem kennen mein Mann und ich die Friedensarbeit von EIRENE. Im Mai 2018 waren wir zum Beispiel vier Wochen Gastfamilie für Ahmed Katumba, einen EIRENE-Freiwilligen aus Uganda. Er hat während seines Sprachkurses bei uns gewohnt und ist uns wie ein drittes Kind ans Herz gewachsen.
Am 1. August 2018 bin ich dann mit fünf anderen – deutlich jüngeren – Freiwilligen nach Uganda ausgereist. Meine Einsatzstelle war Salem Brotherhood im Osten des Landes, wo ich im Gästehaus der Organisation mitgearbeitet habe. Da ich an der Berufsschule auch im Gastgewerbe tätig bin, hat das sehr gut gepasst. Ich habe außerdem Aktivitäten für die Kinder aus dem „Childrens home“ des Salem- Dorfes angeboten.
Ein wenig Mut gehört schon dazu
Meine Kinder und mein Mann haben mich von Anfang an in meinem Anliegen nach Uganda zu gehen bestärkt und ganz toll unterstützt. Viele Menschen in meinem privaten oder beruflichen Umfeld finden es mutig, was ich gemacht habe. Ja, ein wenig Mut gehört sicher dazu, aber vor allem Neugier und Sich einlassen können. Dank der langjährigen und guten Beziehung zwischen EIRENE und Salem Brotherhood und vielleicht auch, weil ich neugierig und offen auf die Welt und die Menschen darin zugehen will, habe ich mich trotz meiner 55 Jahre in meiner ugandischen Gastfamilie sehr wohl gefühlt und wurde ich in Salem so gut aufgenommen.
Njagalla Uganda - Ich liebe Uganda
Während meiner Zeit in Uganda habe ich viele Erfahrungen gemacht. Zusammengenommen waren sie sehr wertvoll. Es waren Erfahrungen vom Fremdsein und Mich-Allein-Fühlen, Neu- und Über-Denken, vom In-Fragestellen kultureller Selbstverständlichkeiten und eigenen Gewohnheiten. Aber auch von der bei uns in Deutschland oft verloren gegangenen Dankbarkeit für medizinische Versorgung, genug Essen und ausreichend Wasser. Ich habe die existentiellen Sorgen und Nöte der Menschen um mich herum gespürt, aber auch unbändige Lebensfreude miterlebt. Ebenso Abhängigkeit von Wetter und Ernte, großzügiges Teilen des oft Wenigen, Gelassenheit und Sich-Zeit- Nehmen sowie selbstverständliches Zusammenhalten in Freud und Leid erfahren. Ich habe die atemberaubende Natur Ugandas vor allem in den Nationalparks, wilde Tiere sowie wunderschöne Sonnenauf- und untergänge bewundert … und noch so viel mehr gesehen und erlebt.
„Njagalla Uganda“ heißt in einer der ca. 30 Landessprachen „ich liebe Uganda“. Ich habe mein Herz an dieses Land und viele kleine und große Menschen dort verloren. Und wünsche jedem, der die Möglichkeit hat, einen Friedensdienst der Älteren zu machen. Mich hat er – wie erhofft – berührt und inspiriert. Aber auch sensibilisiert und verändert.
von Astrid Baumgarten