Konsequent gegen Diskriminierung und Rassismus

Seit 2015 befindet sich EIRENE in einem rassismuskritschen Veränderungsprozess, der Einfluss auf alle Gebiete des Friedensdienstes hat. Miriam Druba hat 2020 diesen Prozess im Rahmen ihrer Masterarbeit untersucht. Wir haben mit ihr über ihre Forschungsergebnisse gesprochen und nach Anregungen gefragt.

Wie sind Sie auf die Idee der Masterarbeit gekommen?

Ich habe mich schon während des Studiums mit der Reproduktion von Rassismus in der Spendenwerbung entwicklungspolitischer Organisationen auseinandergesetzt. Dabei bin ich immer wieder auf die Kritik gestoßen, dass es nicht ausreicht, auf der Ebene der Spendenplakate und Bildsprache von Organisationen rassistische Darstellungsweisen zu vermeiden, sondern dass es tiefergreifende Auseinandersetzungen mit dem Thema braucht. Bestärkt wurde das durch die Erfahrungen von Kommiliton_innen aus dem Globalen Süden, die auf Exkursionen, Messen und bei der Arbeitssuche die Abwesenheit und den Ausschluss von Migrant_innen und Menschen aus dem Globalen Süden in entwicklungspolitischen Organisationen in Deutschland kritisierten. Denn obwohl die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) eines der internationalsten Arbeitsfelder in Deutschland ist, sind viele EZ-Organisationen auch heute noch „All-White-Clubs“ (Schearer-Udeh/Galbenis-Kiesel 2019). Deshalb begann ich mich auf die Suche nach Veränderungsmöglichkeiten und Best Practice Ansätzen zu machen, die nicht nur auf der Ebene der Spendenwerbung versuchen, postkoloniale und rassistische Strukturen in der Entwicklungszusammenarbeit zu überwinden. Dabei bin ich dann auf den Rassismuskritischen Veränderungsprozess (RKVP) von EIRENE gestoßen.

Welche Ergebnisse haben Sie überrascht?

Überraschend fand ich, dass ich bei meinen Recherchen erfahren habe, dass sich schon in den 1990er Jahren entwicklungspolitische Organisationen in Deutschland kritisch mit Rassismus in der Entwicklungszusammenarbeit auseinandergesetzt haben. Das Thema ist also nicht neu in der Szene, sondern wird schon seit über 20 Jahren diskutiert und Veränderungen vor allem von migrantisch-diasporischen Organisationen bereits seit Jahrzehnten eingefordert. Dafür gibt es erst erschreckend wenige Organisationen, die ernsthafte Veränderungsprozesse durchführen. Obwohl immer mehr Organisationen vereinzelt Stellungsnahmen gegen Rassismus anbringen oder  Workshops zur Sensibilisierung weißer Mitarbeitenden für ihre eigenen Privilegien anbieten, gibt es bis heute kaum entwicklungspolitische Organisationen in Deutschland, die organisatorische und strukturelle Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen ziehen und rassismuskritische Veränderungsprozesse anstoßen.

In welchen Bereichen nimmt EIRENE eine Vorreiterrolle ein?

Entscheidend ist, dass sich Organisationen nicht nur in Stellungsnahmen auf der Website zu einer rassismuskritischen Haltung bekennen, sondern dass die Mitarbeiter_innen und die Geschäftsführung wirklich  dahinterstehen und sich darauf einlassen – und genau diesen Eindruck hatte ich bei EIRENE. Was bei EIRENE auffällig ist, ist eine Kultur der Ansprechbarkeit. Dadurch, dass alle Mitarbeiter_innen für Rassismus sensibilisiert werden, werden Möglichkeiten geschaffen, darüber zu sprechen. Das ist ein ganz wichtiger erster Schritt und eine Grundvoraussetzung dafür, ein sicheres und diskriminierungsärmeres Arbeitsumfeld zu schaffen. Besonders auch die Verankerung von Strukturen wie Diskriminierungsbeauftragten und einer Ombudperson, sowie die regelmäßigen offenen Runden ermöglichen es, diese Kultur der Ansprechbarkeit auch institutionell zu verankern. Zwei weitere Punkte, in denen EIRENE in der entwicklungspolitischen Szene eine Vorbildfunktion einnimmt, sind die durch den RKVP neu gewonnene Diversität in der Geschäftsstelle sowie die stärkere Teilhabe der Partnerorganisationen  an Entscheidungsprozessen zum Beispiel bei der Personalauswahl.

Wo sehen Sie noch Potentiale für die zukünftige Gestaltung des RKVPs?

Ich denke, dass gerade die Beteiligung der Partnerorganisationen und der Zivilgesellschaft in den Ländern und Regionen, in denen EIRENE Projekte durchführt, noch stärker verankert werden kann. Deshalb sollte es im RKVP auch in Zukunft darum gehen, Neues auszuprobieren und Denkblockaden zu überwinden. Wie kann zum Beispiel die weltweite Organisationsstruktur so gestaltet werden, dass noch mehr Mitbestimmung und Lernen vom Süden her ermöglicht wird? Wie können Möglichkeiten der Digitalisierung genutzt werden, sodass in der internationalen Zusammenarbeit noch mehr miteinander, statt übereinander geredet wird? Und wie kann sich EIRENE in Deutschland – vielleicht auch mithilfe der globalen Partner_innen – gegen strukturellen Rassismus einsetzen und andere Organisationen dazu ermutigen ähnliche Veränderungsprozesse durchzuführen?

Miriam Druba studierte Management in Nonprofit-Organisationen mit einem Schwerpunkt in Entwicklungszusammenarbeit an der Hochschule Osnabrück.
Kontakt: miriam [dot] druba [at] posteo [dot] de (miriam[dot]druba[at]posteo[dot]de)