Lockdown in Europas buntestem Viertel

Randi hilft bei Hausaufgaben im Bouillon de Cultures in Brüssel.

Das Leben in Brüssel ist seit Monaten stark durch die Corona-Pandemie eingeschränkt. Die Freiwillige Randi Röspel erlebt trotzdem Begegnungen und Dankbarkeit in ihrer Einsatzstelle Bouillon de Cultures. Sie unterstützt Grundschulkinder beim Lernen und hilft im sozialen Restaurant.

Bonjour, ich heiße Randi Röspel und bin seit September Freiwillige bei der gemeinnützigen Organisation Bouillon de Cultures in Brüssel. Sie betreibt ein Jugend- und Kulturzentrum sowie das soziale Restaurant „Sésam“ im Stadtviertel Schaerbeek, das zu den multikulturellsten Vierteln Europas, gleichzeitig aber auch zu den ärmsten und sozialbenachteiligsten in ganz Belgien gehört. In diesem Umfeld fördert die Organisation die soziale Integration der Menschen vor Ort, bietet schulische Unterstützung an und tritt gegen Diskriminierung ein.

Im Jugend- und Kulturzentrum wird die Bouillon der Kulturen wortwörtlich gelebt und eine multikulturelle, gerechte und solidarische Gesellschaft gefördert. Es werden Alphabetisierungs-, Kultur- und Kochkurse für Erwachsene angebo-ten sowie Student_innen unterstützt. Kinder und Jugendliche erhalten nicht nur schulische Hilfe, sondern werden weit darüber hinaus künstlerisch, sprachlich, sportlich und kulturell geför-dert. Ziel ist es, die Persönlichkeit jedes einzelnen Menschen zu stärken und soziale Ungleichheiten zu reduzieren.

Bouillon während Corona

Doch auch hier hat Corona den Alltag grundlegend verändert: Dieses vielfältige Leben bei Bouillon de Cultures habe ich persönlich leider noch nicht erleben können. Dennoch trotzen alle Mitarbeiter_innen mit Herzblut der pandemischen Lage: Hausaufgabenhilfe per Handy und künstlerisch-kulturelle Angebote im Online-Format stehen jetzt auf der Tagesordnung. Derzeit ist das Jugendzentrum nur für Grundschulkinder geöffnet, und ich merke immer wieder, welche große Bedeutung dieses Angebot für die Kinder hier im Viertel hat. Vor ein paar Tagen lächelte mich ein Mädchen an und sagte: „Je suis contente de venir ici, d’être avec vous.“ („Ich freue mich darüber, hier hinzukommen, mit euch zu sein.“). Und damit ist sie ist nicht alleine. Die Förderung der Kinder, die alle aus einem sozial benachteiligten Umfeld kommen, sind für ihre Entwicklung und ihren Lebensweg so unglaublich wichtig, und alle sind umso glücklicher, auch derzeit zu uns zu kommen. Wir diskutieren gemeinsam über kleine und große Themen wie Lieblingsländer, oder ob es Allah war, der für das Aussterben der Dinosaurier verantwortlich war. Kinder mit großen Fragen, Lebensfreude und Spaß am Tanzen: „A Bouillon, tous ensemble, l’on y danse tous en rond.“ („Bei Bouillon, alle zusammen tanzen wir im Kreis“) musizieren wir gemeinsam, es entsteht eine tolle Atmosphäre multikulturellen, solidarischen und respektvollen Zusammenlebens.

Trotzdem allem in Kontakt bleiben

Außerhalb des Lockdowns arbeite ich normalerweise auch regelmäßig im sozialen Restaurant Sésam mit. Sésam ist viel mehr als ein Restaurant mit leckeren internationalen Spezialitäten, es ist Teil der Gesellschaft und somit des Viertels Schaerbeek. Dieser soziale Treffpunkt, an dem gemeinsam gelacht, Weltansichten und Lebensgeschichten geteilt werden, ist aber aufgrund der Pandemie seit Oktober geschlossen. Zwar betreibt meine im ganzen Viertel bekannte Chefin Isabelle das Restaurant mit Take-Away-Angeboten weiter, doch was fehlt sind die persönlichen Begegnungen. „Isabelle s’occupe de tout le monde“ („Isabelle kümmert sich um jede_n“), vergewissert mir eine Stammgästin mit Freude im Gesicht. Sie hat absolut Recht. Beim Essenabholen wird sich gegenseitig über das Wohlbefinden anderer Stammgäst_innen auf dem Laufenden gehalten: Niemand soll in Vergessenheit oder Einsamkeit geraten, alle sollen die Lockdown-Zeit so gut es geht überstehen. Auf dem Tresen des Restaurants steht eine Dankes-Postkarte, die hoffentlich auch bald wieder gemeinsam mit den Gästen bewundert werden kann: „A Isabelle et toute l’équipe du Sésam: Merci pour tout ce que vous faites.“ („An Isabelle und die Sésam-Mitarbeitenden: Danke für alles, was Ihr tut.“).

von Randi Röspel, Freiwillige bei Bouillon de Cultures 2020/2021