MIT SPIRITUALITÄT UND SOLIDARITÄT FÜR FRIEDEN IN NORDIRLAND

Freiwillige posieren gemeinsam und fröhlich an der Steilküste Nordirlands Die Freiwilligen von Corrymeela haben Spaß in der malerischen Natur Nordirlands

In Nordirland herrscht kein nachhaltiger Frieden. Der Rechtsruck in Europa ist auch auf der irischen Insel spürbar, und durch den Brexit sind alte Wunden aufgerissen worden. Gleichzeitig gilt es, Rassismus und die fortschreitende Klimakrise nicht aus den Augen zu verlieren. Zwei nordirische Friedensorganisationen finden Wege der Solidarität und Spiritualität, um diesen Herausforderungen zu begegnen – und EIRENE- Freiwillige spielen dabei eine tragende Rolle.

Corrymeela

An der malerischen Küste Nordirlands liegt unweit des Fischerdorfes Ballycastle die älteste Friedensorganisation des Landes Corrymeela. Ihr Gründer Ray Davey war  Kriegsgefangener in Dresden im Zweiten Weltkrieg. Als er die gnadenlose Bombardierung der Stadt durch die britische Luftwaffe miterlebte, kamen bei ihm Zweifel auf: „Wer sind hier noch die Guten und die Bösen?“. Aufgrund dieser Erfahrung gründete er 1965 noch vor Beginn des Nordirlandkonflikts, der als Troubles bezeichnet wird, eine überkonfessionelle Friedensorganisation. Im Nordirlandkonflikt war Corrymeela sowohl Zufluchtsort für Menschen, deren Häuser niedergebrannt wurden, als auch neutraler Boden für Verhandlungen zwischen den Konfliktparteien. Heute fungiert es als Tagungs- und Begegnungsstätte und bringt in dem immer noch geteilten Land Menschen aus den verschiedenen Communitys zusammen, um Verständnis und Toleranz zu fördern.

Malerischer Garten mit Häusschen und Ausblick auf die irische See
Der Ausblick auf die irische See vom Corrymeela Tagungshaus

Freiwillige übernehmen bei Corrymeela wichtige Aufgaben. „Go and see what needs to be done“ steht unter der Überdachung des Hinterausgangs des neuesten Tagungshauses auf dem Corrymeela-Gelände. Der EIRENE- Freiwillige Ben Henke erklärt die Geschichte hinter dem Satz.„Wann immer Freiwillige in der Anfangszeit zu Ray
Davey kamen, und ihn fragten, was zu tun sei, antwortete er ihnen mit diesem Satz. Corrymeela lebt seit Anbeginn davon, dass Freiwillige Verantwortung übernehmen und die Dinge anpacken, die zu tun sind.“ Gemeinsam mit Noah Röse war Ben ein Jahr bei Corrymeela. In dieser Zeit haben beide unglaublich viele Menschen über die Seminararbeit kennengelernt, denn längst beschränkt sich die Arbeit der Friedensorganisationen nicht mehr nur darauf, Protestant_innen und Katholik_innen zusammenzubringen. „Heute arbeiten wir viel zu den Themen Rassismus, sexuelle Identität und Klimabewusstsein“, erklärt der Freiwilligenbetreuer Jonny Wilson. „Wir haben seit dem Karfreitagsabkommen keinen positiven Frieden, viele Themen des Nordirlandkonflikts sind bis heute ungeklärt, und der Brexit hat viele Identitätsfragen wieder aufgewirbelt. Trotzdem müssen wir uns auch anderen Themen widmen. Besonders der Rassismus in der nordirischen Gesellschaft ist aufgrund des Fokus auf den Konflikt zwischen Republicans und Unionists lange nicht adäquat adressiert worden.“

Die Ruhe und die Besinnlichkeit des Ortes Corrymeela geben Kraft für Frieden. „Das spirituelle Herz des Ortes ist das Croí, ein Höhlen ähnlicher Bau, der von oben betrachtet die Form eines Ohrs hat. Hier finden täglich Meditationen statt, und jeder ist eingeladen zu predigen und Friedensimpulse zu geben“, erklärt Noah. In der Mitte des kleineren von zwei Begegnungsräumen steht ein niedriger Tisch, darauf findet sich unter anderem ein keltisches Kreuz. „Dieses Kreuz stammt aus der Frühzeit der Christianisierung Irlands, noch vor der konfessionellen Teilung der Kirche. Dieses Kreuz symbolisiert eine spirituelle Haltung, die tolerant und inklusive ist“, führt Noah fort. Corrymeela ist bis heute ein relevanter Ort für Frieden in Nordirland, da die Organisation es versteht, sowohl Spiritualität als auch Solidarität zu leben. Spiritualität gibt  Kraft, sich gegen Gewalt und Diskriminierung zu erheben, und die Solidarität wird Menschen unterschiedlichster Gruppenzugehörigkeit zuteil.

TOOLS FOR SOLIDARITY

„Mein Vater war Sozialist und Atheist, und meine Mutter hatte einen protestantischen Background, trotzdem lebten wir in einer katholischen Community. Wir haben keiner Seite angehört.“ Stephen Wood ist einer der Mitbegründer von Tools for Solidarity, einer nordirischen NGO, die in der 1980er Jahren gegründet wurde. Inmitten der Hochphase des Nordirlandkonflikts fokussierte sich Tools auf internationale Solidarität und begann, ausrangierte Werkzeuge zu reparieren und dann an die damals so genannten „Entwicklungsländer“ zu verschiffen. „Nordirland war in der Zeit der ideale Ort, um einen kritischen Geist zu entwickeln: Welche Rolle spielt Religion in dem Konflikt, welche Rolle spielt der Staat, die Wirtschaft, die Polizei?“ Die Antwort für Stephen und seine Mitstreiter_innen lag in Kapitalismus- und Globalisierungskritik und gelebter internationaler Solidarität sowie im Freiwilligendienst.

Peace Wall in Belfast, große Mauer mit einem sehr hohen Zaun oben drauf
Noch heute sind die Communities in Belfast geteilt - Bild von der "Peace Wall"

„Wir sind alle Freiwillige hier bei Tools, wir sind nicht die Chefs, die den Freiwilligen sagen, was zu tun ist“, erklärt Stephen das Betriebsklima bei Tools. Das können auch Nora Treichel und Syd Albion bestätigen, die ihren EIRENE-Freiwilligendienst bei Tools geleistet haben. „Wir haben die unterschiedlichsten Bereiche kennengelernt, haben unter anderem Nähmaschinen aufbereitet und waren in der politischen Bildung zu Nachhaltigkeit aktiv“, resümiert Nora ihren Dienst. „Das Freiwilligenjahr endet immer damit, dass ein Container mit Nähmaschinen und anderem Werkzeug an die Tools-Partner in Tansania verschickt wird. Das ist das Highlight, auf das ein Jahr lang hingearbeitet wird", führt Syd fort. Syd hatte bereits vor dem Freiwilligendienst eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker absolviert, deshalb hat er sich schnell in der großen Tools-Werkstatt zurechtgefunden. In Tansania besteht seit 2007 eine Partnerschaft mit einem Berufsbildungszentrum, dass Näherinnen und Näher ausbildet und ihnen die gespendeten Nähmaschinen zur Verfügung stellt. Syd und Nora haben ihren Beitrag geleistet, dass Menschen in Tansania in Lohn und Brot kommen.
 

von Stefan Heiß

Nordirland

Mehr Informationen über den EIRENE-Friedensdienst in Nordirland findest du auf unserer Länderseite