Notre Dame lässt das blaue Gold sprudeln

Lokalradios in Burkina Faso helfen den Bürger_innen, sich zu organisieren und für ihre elementaren Bedürfnisse einzutreten. In einem Land, das im letzten Jahr zwei Putsche erlebt hat und das von Anschlägen heimgesucht wird, liefern sie einen wichtigen Beitrag, die Menschen resilient gegen Gewalt zu machen.

Die Frühjahrshitze in der burkinischen Stadt Kaya ist berüchtigt. Sie erreicht meist im März ihren Höhepunkt – über Wochen werden Höchstwerte von 42 Grad erreicht. Die Menschen leiden unter den Extremtemperaturen, die Sonne brennt gnadenlos und verdorrt die Böden. Kaya, eine Großstadt mit über 120.000 Einwohner_innen, wird in dieser Zeit immer wieder von Wasserknappheit heimgesucht. Weil das wenige Wasser in dieser Zeit nicht gerecht verteilt wird, leiden manche Menschen mehr als andere. Wenn die öffentlichen Brunnen und Hydranten versiegen, können die Bürger_innen von Kaya sich kein Wasser mehr für ihre Haushalte holen. Es gilt sich zu organisieren, um den Missständen zu begegnen, denn Wasser ist lebenswichtig.

„Es ist 18 Uhr im Studio von Notre Dame de Kaya, die Stimme der Stimmlosen, und es ist Zeit für unser Magazin“, mit diesen Worten eröffnet der Moderator Jerome Compaore seine Sendung. Thema heute ist die Wasserknappheit im Sektor Nummer 6 von Kaya. Hier ist die Situation besonders gravierend, denn aus dem einzigen öffentlichen Hydranten tropft seit Tagen kein bisschen Wasser mehr. Die Sendung von Compaore erfreut sich hoher Popularität unter den Bürger_innen von Kaya. Hier werden die Probleme thematisiert, die ihr Leben schwer machen, und hier werden Lösungswege aufgezeigt. Das war nicht immer so bei Radio Notre Dame de Kaya.

Dank der Journalismus-Trainings, die von der EIRENE-Partnerorganisation Centre National de Presse Norbert Zongo (CNP/NZ) durchgeführt wurden, hat Radio Notre Dame de Kaya in vielen Bereichen seiner Arbeit einen Qualitätssprung nach vorne gemacht. Die Mitarbeiter_innen des Radios haben Schulungen zu konfliktsensiblem Journalismus besucht, außerdem haben sie das Radioprogramm umgestellt und berichten nun vermehrt über lokale Themen, die die Bevölkerung betreffen. Die hohe Popularität von Radio Notre Dame de Kaya rührt auch daher, dass das Radio nicht nur in Französisch, sondern auch in lokalen Sprachen sendet. Zwei von drei Menschen in Burkina Faso können Französisch weder lesen noch schreiben; Radio ist für sie die einzige Möglichkeit, am öffentlichen Diskurs teilzunehmen. Und die Möglichkeit, sich zu organisieren. In der Sendung über Wasserknappheit im Sektor Nummer 6 kommen unterschiedliche Personen zu Wort: Anwohner_innen schildern die Situation, Expert_innen erklären, was getan werden muss, damit Wasser (in Burkina Faso auch blaues Gold genannt) wieder fließt. Und es werden die staatlichen Einrichtungen genannt, die in der Verantwortung stehen, diesen Missstand zu beheben. Die Radiosendung klärt die betroffenen Bürger_innen auf und bereitet somit die Grundlage für ihr Engagement.

Wie es neulich in der Sendung von Radio Notre Dame de Kaya zu hören war

Eine Woche nach der Sendung marschieren lokale Frauengruppen vor das Rathaus in Sektor Nummer 6. Ihr Anliegen ist klar. In öffentlichen Reden drücken sie die Sorge über den Wassermangel und die unzureichende Wasserversorgung aus. Dabei beziehen sie sich immer wieder auf die Radiosendung: „Wie es neulich in der Sendung von Radio Notre Dame de Kaya zu hören war“, ist ein viel gesagter Satz an diesem Nachmittag. Die Frauen treten mit Nachdruck für die Wiederinstandsetzung des Hydranten ein und der Marsch verläuft friedlich.

CNP/NZ arbeitet mit vielen Lokalradios in Burkina Faso zusammen. So bekräftigt der Leiter von CNP/NZ Diallo Abdoulaye: „Gerade in jetzigen Zeiten, wo in vielen Teilen von Burkina Faso bewaffnete Gruppen Gewalt ausüben, liefern unsere Partnerradios einen wichtigen Beitrag zur Beruhigung des sozialen Klimas. Durch ihre vielfältigen Produktionen (Berichterstattung, Maga-zine, Mikroprogramme und Diskussionsrunde)entkräften sie Fake News, Propaganda und Gerüchte. Sie helfen den Menschen, trotz schwieriger Lebenssituation sich zu organisieren und für eine friedliche Zukunft im Land einzutreten.“

Die engagierten Frauen von Kaya haben mit ihrem Einsatz das Wasser wieder zum Fließen gebracht. Nur kurz nach ihrem Marsch zum Rathaus wurde die lokale Wasserbehörde aktiv. Seitdem ist die Wasserversorgung im Sektor Nummer 6 auch in der großen Frühjahrshitze gewährleistet.

von Stefan Heiß & Michel Sana

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