Das Wunder immer fest vor Augen

Janneth Perez Molina

Im März 2022 besuchte die Fachkraft Tom Knauf die neue EIRENE-Partnerorganisation Maya Paya Kimsa in El Alto, Bolivien. Maya Paya Kimsa schafft geschützte Räume für Kinder- und Jugendliche, die auf der Straße leben. Um die Arbeit hautnah zu erleben, begleitete Tom Knauf die educador (Sozialarbeiter_innen) von Maya Paya Kimsa Armin Cora Vargas und Horacio Gonzales Orozco einen Tag auf den Straßen El Altos. Im Anschluss führte er ein Interview mit Janneth Perez Molina, der Direktorin von Maya Paya Kimsa.

Stell Dir vor, dass diese Nacht ein Wunder geschieht. Morgen stehst Du auf, fährst zur Arbeit und alles ist so, wie Du es dir immer gewünscht hast. Wie sieht es aus, was hat sich geändert?

Ich laufe durch die Straßen von El Alto und sehe Kinder und Jugendliche, die von der Schule kommen. Sie erzählen mir, dass ihre Familien ihnen beim Lernen helfen. Ich gehe weiter und komme an einem Platz vorbei, an dem sich junge Mütter mit ihren Kindern treffen. Einige verkaufen Produkte, um ihre Familien zu ernähren, und andere kümmern sich liebevoll um die Kinder. Alle strahlen Frieden und Ruhe aus, denn sie haben ihre Ängste und Enttäuschungen überwunden. Sie sind selbstsicher und ihre Augen leuchten lebendig. Die Gesichter der Kleinkinder sind nicht mehr vernachlässigt, schmutzig und abgemagert. Die Jugendlichen sind nicht mehr besoffen und zugedröhnt. Sie nehmen ihre Rechte auf Bildung, Identität, Schutz und Gesundheit wahr.

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Wenn Du Dich an heute zurückerinnerst, also an den Tag vor dem Wunder, was ist über Nacht geschehen, um diese Veränderungen herbeizuführen?

Die Offenheit der Gesellschaft gegenüber den Kindern und Jugendlichen, die aus verschiedensten Gründen auf der Straße leben, ist gewachsen. Wenn wir die Sicht auf diese jungen Menschen ändern, werden wir verstehen, wie wir ihnen echte Alternativen und Möglichkeiten bieten und Türen öffnen können zu einer besseren Welt ohne Diskriminierung und Vorurteile. Wo ein Mädchen oder ein Junge zur Schule gehen kann, ohne zurückgewiesen zu werden; wo eine junge Mutter arbeiten und sich nützlich fühlen kann und nicht auf Formen von Gewalt zurückgreifen muss, um überleben zu können.

Auch der Staat hat begonnen, sich des Themas anzunehmen. Er stellt gesundheitliche Versorgung ebenso gratis zur Verfügung wie Dokumente und Schulplätze, auch für die Kinder, die Schwierigkeiten beim Lernen haben.

Kehren wir wieder ins Hier und Jetzt zurück. An welchen Stellen siehst Du heute, dass das Wunder bereits geschieht?

Aktuell ist auf nationaler Ebene die Verabschiedung eines Gesetzes auf dem Weg, das sich der Bedürfnisse der Menschen auf der Straße annimmt und verspricht, präventive Maßnahmen zu ergreifen. Maya Paya Kimsa arbeitet bereits mit 420 Straßenkindern in El Alto, von denen etwa 70 im letzten Jahr die Straße als Lebensraum verlassen und ihre Lebensumstände verbessert haben. 123 Kinder und Jugendliche nehmen Stabilisierungsprozesse wahr, indem sie zur Schule gehen, arbeiten, ein Zuhause haben oder eigene Geschäfte führen, durch die sie sich selbst finanziell absichern. 40 Prozent unserer Kinder haben Zugang zu gesundheitlicher Versorgung.

Interview von Tom Knauf

 

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