Frauenpower live auf Sendung

Fati Amadou ist live auf Sendung in Niger

Neben Küchengeheimnissen und völkstümlichen Geschichten geht es in Fati Amadous Radiosendungen auch mal heiß zur Sache. Die von EIRENE in konfliktsensiblem Journalismus ausgebildete Nigrerin setzt sich für Frauenrechte und Gleichberechtigung ein. Eine Aufgabe, die neben einem langen Atem auch Leidenschaft und Geschickt verlangt.

"Ah, das war nicht einfach! Ich habe mich eine Woche lang vorbereitet, damit ich mit den Gästen im Studio zurechtkomme“, erinnert sich Fati Amadou von Radio La Voix de la Tapoa. Thema der Debatte war die Frage, wie die Schulbildung, insbesondere für Mädchen, verbessert werden kann.

Für Mädchen- und Frauenrechte leisten Lokalradios in Niger einen wichtigen Beitrag. Aber auch andere heiße Eisen werden aufgegriffen: Konflikte zwischen Ehegatten, zwischen Eltern und Kindern, Streit um Erbschaften, Zugang zu Land für Frauen und Konflikte zwischen Landwirt_innen und Viehzüchter_innen. Auch globale Krisen wie Extremismus und die Corona-Pandemie werden angesprochen. Der Charakter eines Konflikts entscheidet darüber wie er thematisiert wird: Familien- und private Konflikte werden oft durch interaktive Sendungen bearbeitet, in der Hörer_innen einander Ratschläge geben. Gesellschaftliche Konflikte z.B. über Landbesitz werden in Debatten und Diskussionsrunden besprochen, in denen alle Parteien des Konflikts zur Sprache kommen. Hierbei werden sie von Experten_innen unterstützt, die die Rechtsgrundlagen erörtern. Wenn es um Sexualität, Familienplanung und Gesundheit geht, werden die Zuhörer_innen hingegen durch Sensibilisierungsprogramme angesprochen. „Man muss sich schon sehr gut vorbereiten, um über Konflikte zu sprechen. Als Journalistin muss ich neutral sein und mich selbst gut beherrschen, denn oft wird versucht, mich auf eine Seite zu ziehen“, umschreibt Fati ihre Rolle als journalistische Konfliktvermittlerin.

"Als Frauen haben wir manchmal besseren Zugang zu Interviewpartner_innen als Männer."

EIRENE unterstützt in Niger seit vielen Jahren Radiomacher_innen durch Trainings in konfliktsensiblem Journalismus. Eine der Absolvent_innen ist Fati Amadou, die seit 13 Jahren im Radios Tapoa in Say arbeitet. Das Städtchen Say liegt 55km südlich von Nigers Hauptstadt Niamey, an der Hauptstrasse ins benachbarte Burkina Faso. Einst ein Handels- und Machtzentrum, ist es heute wirtschaftlich abgehängt. Die Gründe dafür liegen in der Kolonialzeit. Als das erste lokale Radio 2007 in Say eröffnet wurde, gab es dort eine einzige Journalistin. Fati war beeindruckt von ihr und nahm sie sich als Vorbild. Als die damalige Journalistin dann das Radio verließ, trat Fati in ihre Fussstapfen und erlernte während eines Volontariat die Grundlagen des Radiomachens. Schlussendlich konnte sie, nicht nur durch ihr Talent und ihre Motivation überzeugen, sondern auch ihre Stimme und Art fand Anklang bei den Zuhörer_innen.

Heute moderiert und produziert sie verschiedene Radiosendungen zu Themen im Bereich der Berufswahl von jungen Frauen und Männern, Gesundheit, Küchengeheimnisse, aber auch Unterhaltungssendungen, in denen die Hörer_innen live im Studio anrufen, einander grüssen, oder an einem Quiz teilnehmen. Wenn sie nicht gerade auf Sendung ist, oder mit den Recherchen und Vorbereitungen für ihre nächsten Sendungen beschäftigt ist, findet man Fati oft im Austausch mit Jugendgruppen. Die Jugend liegt ihr am Herzen, sie unterstützt Start-Ups und berät in der Berufsbildung, denn Jugendarbeitslosigkeit ist ein großes Problem in Say.

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Um Radio Tapoa interaktiv zu gestalten, ist Fati ständig auf der Jagd nach Stimmen, und im Besonderen nach weiblichen Stimmen. Sie versucht beharrlich Interviews mit Mediziner_innen, Politiker_innen und mit dem Bürger-meister zu ergattern. Oft kommen auch Hörer_innen auf sie zu, um Feedback zu geben, Themen anzusprechen oder Verbesserungsideen vorzuschlagen. Fati nimmt diese Vorschläge immer ernst und weiß, wie wichtig es ist, sich immer weiterzubilden: „Als Journalistin muss man bescheiden sein, denn man lernt immer etwas dazu, man hat nie ausgelernt. Eine Journalistin muss immer Fragen stellen und ihr Wissen teilen.“

Eine beliebte Sendung in Radio Tapoa ist Contes et Légendes, zu Deutsch Geschichten und Legenden. Fati lädt vor allem ältere Hörer_innen ein volkstümliche Geschichten live zu erzählen. Ein wichtiger Kulturbeitrag für die mündliche Überlieferung, da viele dieser Geschichten nirgends aufgeschrieben sind. Gleichzeitig wissen die Älteren von Say, wie man die Geschichten richtig intoniert und ausgeschmückt zum Leben erweckt. Jahrhunderte alte Tradition lebt so im Radio fort.

Fati arbeitet beim Radio ehrenamtlich: „Manchmal kriegen wir etwas am Ende des Monats, manchmal nicht. Aber seit Corona gekommen ist, ist die Situation schwierig. Die bezahlten Berichterstattungen, Ausbildungsmöglichkeiten und sogar die Kommuniqués, die eine wichtige Einnahmequelle des Radios waren, sind eingebrochen.“ Neben Corona drückt vor allem die Sicherheitslage auf die wirtschaftliche Situation in Say: „Seit einem Jahr ist es verboten auf Motorrädern zu fahren. Früher nahm ich ein Moto-Taxi zur Arbeit, heute gehe ich zu Fuß.“ Eine halbe Stunde dauert der Weg von Fatis Haus ins Studio, und dann wieder zurück, oft spät in der Nacht.

"Es ist wichtig, dass die Frauen ihre Meinung kundtun, besonders auch zu Themen wie Sicherheit und Entwicklung!"

Eine weitere Herausforderung: Frauen vors Mikrofon zu kriegen. Oft wollen Frauen nicht im Radio sprechen. „Sie werden beeinflusst, es wird gesagt, Frauen sollen nicht öffentlich sprechen, und je öfter sie das zu hören bekommen, desto mehr denken sie das auch. Viele bitten mich auch ihre Namen nicht zu nennen. Aber es ist wichtig, dass die Frauen ihre Meinung kundtun, besonders auch zu Themen wie Sicherheit und Entwicklung!“ Fatis Einstellung ist wichtig: Frauen sind in den Medien unterrepräsentiert, nicht nur im Niger. Weltweit kommen Frauen laut einer globalen Studie nur in etwa einem Viertel der Nachrichten vor. Wird ein Bericht durch eine Expert_innen-Meinung angereichert, kommt sie in über 80 Prozent der Fälle von einem Mann. Das gilt auch für Europa: Nur etwa in 20 Prozent der Beiträge zu Wirtschaft und Politik kommen Frauen zu Wort.

Das hängt bedeutend mit der Zahl von Journalistinnen zusammen. „Bei Radio Tapoa sind wir nur zu zweit, ich und eine weitere Kollegin. Aber oft haben unsere männlichen Kollegen unsere Hilfe nötig. Als Frauen haben wir manchmal besseren Zugang zu Interviewpartner_innen als Männer. Zum Beispiel im Gesundheitssystem, aber auch um Frauen zu überzeugen an einer Sendung teilzunehmen.“ Auch wenn die Arbeit im Radio viel Zeit in Anspruch nimmt, und nur wenig finanziell dabei herausspringt, Fati war immer schon fasziniert vom Radio und hat es geschafft sich einen guten Ruf und Namen aufzubauen. Wie Familie und Beruf miteinander zu vereinen sind, stellt Fati, Mutter zweier Kinder, dabei immer wieder vor neue Herausforderungen, doch wo ein Wille ist, ist bekanntlich auch ein Weg.

von Viviane Schönbächler, ehemalige Junior-Fachkraft in Burkina Faso promoviert jetzt an der Ruhr Universität Bochum/ Graduiertenschule MEDAS21