Mali: Der Glanz des Goldes hat auch Schattenseiten
Am 19. Januar 2024 ereignete sich ein schreckliches Minenunglück in der Nähe der Stadt Kangaba in Mali. Eine Goldmine stürzte ein, über 70 Minenarbeiter_innen kamen ums Leben. Gold wird in Mali vornehmlich im handwerklichen Kleinbergbau gewonnen. Dieser bedeutet harte Arbeit unter geringen Sicherheitsvorkehrungen und führt immer wieder zu gewalttätigen Konflikten. Die EIRENE-Partnerorganisation Fondation pour le Développement au Sahel (FDS) setzt sich für besseren Arbeitsschutz in den Minen ein und leistet einen großen Beitrag dazu, dass die Gewinne des Klein- sowie des industriellen Bergbaus zur Entwicklung der umliegenden Gemeinden beitragen.
„Alles begann mit einem Brummen. Die Erde hat begonnen zu beben", so Oumar Sidibé, ein Vertreter der Goldwäscher von Kangaba. Warum stürzte die Mine ein? Die Umstände sind bis heute ungeklärt. Unter den vorherrschenden Bedingungen im malischen Kleinbergbau ist das Drama von Kangaba keine Überraschung. Immer wieder kommt es zu schweren Grubenunglücken im ganzen Land.
Der Kleinbergbau bedeutet für viele Malier_innen eine wichtige Einkommensquelle in einem der ärmsten Länder der Welt. Die Arbeit ist schweißtreibend und gefährlich, da die Schächte für den Goldabbau mit einfachsten Mitteln gegraben werden. Meist werden sie nur mit Handwerkzeugen wie Spitzhacken und Schaufeln ausgehoben und sind nicht ausreichend gesichert. Die Arbeiter_innen tragen fast gar keine Schutzkleidung – selten sieht man Helme, Arbeitsschuhe nie. Große industrielle Maschinen wie Bagger kommen sehr selten zum Einsatz.
Früher gab es immer wieder Versuche der malischen Regierungen den handwerklichen Kleinbergbau zu verbieten. Mittlerweile weiß man, dass er für die ländliche Bevölkerung wichtig ist, da er neben der saisonalen Feldarbeit ein wichtiges Zubrot für sie darstellt. Er hat den Effekt, dass mehr Menschen in ruralen Gebieten leben können und nicht in die bereits überbevölkerten Ballungszentren abwandern. Heute wird der handwerkliche Kleinbergbau vom Staat anerkannt, doch vorhandene Gesetze werden kaum oder unzureichend umgesetzt. Die Folge: Schächte werden zu nah aneinander angelegt. Das macht sie instabil und es kommt immer wieder zu tödlichen Unfällen. Dass Gesetz nicht eingehalten werden, liegt an zwei Faktoren: Mangelnde Kenntnisse über Regelungen bei den Goldschürfer_innen sowie Schacht- und Minenbesitzer_innen und fehlende staatliche Überwachung. Es ist aus Sicherheitsgründen verboten während der Regenzeit von Juni bis Oktober zu schürfen, was trotzdem passiert. Ebenfalls arbeiten Kinder häufig im Goldbergbau, obwohl es per Gesetz verboten ist.
Wenn eine Goldader in Mali zu Tage tritt, geht es in der Regel schnell. Menschen mobilisieren Geld und Werkzeug und fangen meist ohne staatliche Erlaubnis an Schächte auszuheben. Das macht sie zu Schachtbesitzer_innen die dann Tagelöhner anstellen, um Erdsäcke zu fördern. In den so entstehenden Bergbausiedlungen herrscht häufig Misstrauen unter denen, die in den Schächten schuften und denen, die sie besitzen. Da vieles im rechtsfreien Raum passiert, sind gewalttätige Konflikte häufig. Beispielsweise erhält eine arbeitende Person keinen Lohn, wenn sie die Goldmine vor Tagesende verlässt. Selbst wenn sie bis in den Nachmittag hinein Erdsäcke gefüllt, gegraben oder Gold gewaschen hat, geht sie mit leeren Händen nach Hause, wenn sie die Arbeitszeiten nicht einhält. Ein weiterer Konfliktfaktor ist, dass die Schachtbesitzer_innen die Arbeit in den Minen nach eigenem Ermessen einteilen. Das heißt, die Gräber_innen werden am Anfang des Tages dorthin geschickt, wo die Chancen gut stehen Gold zu bergen. Denn zunächst müssen die Gräber_innen für die Besitzer_innen arbeiten, alles was sie in dieser Zeit finden, müssen sie abgeben. Doch wenn sie dieses Soll erfüllt haben, und anfangen für die eigene Tasche zu arbeiten, werden sie häufig an Orte geschickt, an denen ein Goldfund unwahrscheinlich ist.
Aus dieser Gemengelage erwächst ein enormes Konfliktpotential, das sich immer wieder in physischer Gewalt entlädt. Genau hier interveniert die EIRENE-Partnerorganisation FDS. Mit Erfolg, so berichtet das Gemeinderatsmitglied von Minidian Oumar Traore: "Ich kann bezeugen, dass die Ergebnisse, die die FDS-Arbeit in meiner Gemeinde Minidian und in der Nachbargemeinde Kaniogo erzielt hat, außergewöhnlich sind. In beiden Gemeinden gab es viele gewalttätige Konflikte, die Dutzende von Opfern forderten. Seit der Intervention von FDS hat sich das geändert. Heute lösen die Menschen in den Bergbaugebieten ihre Streitigkeiten nicht mehr, indem sie einander angreifen oder töten, sondern sie haben den Geist des Dialogs und die gewaltfreie Methode zur Lösung ihrer Streitigkeiten angenommen.“
Wie konnte FDS diese Erfolge erzielen? In den Projektgemeinden Minidian, Kaniogo und Fourou wurden Dialogforen errichtet, in denen Vertreter_innen aller Fraktionen des handwerklichen Kleinbergbaus und den dazugehörigen Gemeinden zusammen kommen. Hier werden Konflikte angesprochen und konstruktiv bearbeitet. So werden klare Regelungen in der Verteilung der Einnahmen zwischen Schachtbesitzer_innen und Arbeiter_innen getroffen. Fatou Traore ist Miteigentümerin einer Mine im Dorf Salamalé in der Gemeinde Kaniogo, in der vier Minenarbeiter aktiv sind. Folgende Regel wurde vereinbart: „Die ersten zehn Erdsäcke, die gefördert werden, gehören uns Besitzer_innen, wir teilen sie zu gleichen Teilen auf.“ Die Erdsäcke werden in eine Waschrinne gekippt, um die Goldstücke herauszuwaschen, erklärt sie in einem Gespräch mit FDS-Mitarbeiter Badra Fofana bei einem seiner Gemeindebesuche. „Die nächsten vier Säcke gehen an die vier Personen, die in unserer Mine arbeiten.“ Sie können behalten, was in diesen Erdsäcken an Gold vorhanden ist. Dank der Dialogforen sind in den Projektgemeinden die Fälle von Sabotage deutlich zurückgegangen. In der Vergangenheit hatten diese zu Arbeitsausfällen geführt und teilweise auch die Sicherheit der Arbeiter_innen bedroht.
Der malische Staat hat in jüngerer Zeit eine Reihe sinnvoller Gesetze für den handwerklichen Kleinbergbau beschlossen. Noch fehlt es an der konkreten Umsetzung, um die Sicherheit in der Goldgräberei und die Nachhaltigkeit für die Natur zu gewährleisten. Hier spielen die von FDS installierten Dialogforen eine entscheidende Rolle. In den Dialogforen werden die Menschen in den Bergbausiedlungen sensibilisiert nicht während der Regenzeit von Juni bis Oktober in den Minen zu arbeiten, da diese aufgrund der nassen Erde einsturzgefährdet sind. Auch haben sie die Gemeinden dazu gebracht, die Minenschächte mit einem Abstand von 5 Metern zu bauen, da Schächte, die zu nah beieinander liegen, instabil werden und ebenfalls einstürzen können.
WAS KOMMT NACH DEM GOLDRAUSCH?
„Tatsächlich waren die alten Löcher, die von den Goldwäschern hinterlassen wurden, in keiner Weise gesichert und stellten eine Gefahr sowohl für Menschen als auch für Tiere dar“, konstatiert Badra Fofana von FDS hinsichtlich der vormaligen Situation in den Bergbaugebieten. Bei seinem Besuch in Salamalé trägt er ein weißes Poloshirt mit den Logos von FDS und EIRENE auf der Brust. „In den Bergbaugebieten ereigneten sich immer wieder Unfälle, oft mit tödlichem Ausgang. Mal stürzten verlassene Stollen oder Schächte ein, mal stürzten Tiere auf der Suche nach Wasser und Nahrung in die Schächte und sogar Menschen sind ihnen zum Opfer gefallen. Deshalb hat FDS mit Unterstützung von EIRENE zahlreiche Aktivitäten durchgeführt, um Techniken der Renaturierung auf den Feldern des handwerklichen Kleinbergbaus einzuführen. Die Ergebnisse lassen sich sehen!“, unterstreicht der Projektleiter von FDS.
Renaturierung von Schächten
GOLDABBAU IM GROSSEN STIL
Mali ist eines der goldreichsten Länder dieser Welt. Fast ein Drittel des Landes ist als mögliches Abbaugebiet gezeichnet. Neben dem handwerklichen Kleinbergbau gibt es international agierende Firmen, die Gold mit modernen Methoden im großen Stil abbauen. Auch wenn die Sicherheitsbedingungen für deren Arbeiter_innen besser sind als im Kleinbergbau, wird wenig Augenmerk auf Nachhaltigkeit gelegt. Schlimmer noch, es gibt immer wieder Vorwürfe der Korruption rund um die Abgaben der Bergbaugesellschaften an die lokalen Behörden. „Eines der wichtigsten Ergebnisse der Partnerschaft mit EIRENE ist die Tatsache, dass es uns gelungen ist, ein Klima des Vertrauens zwischen der Bevölkerung der Gemeinde Fourou und dem Gemeinderat in Bezug auf die Verwaltung der Bergbaueinnahmen zu schaffen“, erklärt der Direktor von FDS Tiemoko Souleymane Sangare in seinem Büro in Malis Hauptstadt Bamako. „Bevor wir von FDS in der Gemeinde Fourou aktiv wurden, herrschte hier eine beispielslose Krise. Die Bevölkerung beschuldigte die Behörden der Unterschlagung von Geldern, die von der örtlichen Bergbaugesellschaft im Rahmen der lokalen Entwicklung gezahlt worden waren. Die Verdächtigungen waren so groß, dass 2017 mehrere Personen das Privathaus eines Bürgermeisters gewaltsam angriffen. Wir konnten das Vertrauen wiederherstellen, in dem wir die Behörden beraten haben, wie sie ihre Einnahmen aus der Gebietskörperschaft transparenter darstellen. Die Bevölkerung sieht heute, dass die Gemeinde ihrer Rechenschaftspflicht besser nachkommt, das hat Vertrauen aufgebaut und die soziale Stabilität gefördert.“ Heute ist die Gemeinde Fourou vorbildlich im Bürgerdialog und der Bereitstellung von Informationen, so dass sie 2021 und 2022 mit dem Transparenzpreis des malischen Staates ausgezeichnet wurde. Die Gemeinde Minidian hat materiell enorm von der Kooperation mit FDS profitiert. So konnten die Einnahmen durch die Schürfrechtevergabe an große Bergbaukonzerne im Zeitraum von vier Jahren um mehr als das zwanzigfache erhöht werden, und zwar von umgerechnet 1.200 Euro auf über 27.000 Euro. Wichtige Einnahmen für die klammen Gemeindekassen! Minidian und Fourou sind heute Paradebeispiel, wie Goldeinnahmen zur kommunalen Entwicklung beitragen und wie durch gutes Konfliktmanagement alle am Ende profitieren. Denn die Goldressourcen sind auch in Mali endlich. Wenn die Profite nicht nachhaltig in die Kommunen investiert werden, verpufft mit dem Ende der Goldressourcen die Möglichkeit langfristig die Armut zu bekämpfen.
von Stefan Heiß
GEWALTFREIE KONFLIKTBEARBEITUNG IN BERGBAUGEMEINDEN
Bei der Arbeit mit den verschiedenen Akteuren im malischen Bergbau setzen wir bei FDS Methoden der zivilen Konfliktbearbeitung ein. Sie verdeutlichen den Teilnehmer_innen unserer Workshops niedrigschwellig wie Konfliktmechanismen wirken und wie ein Wandel von Konkurrenz zu Kooperation im Verhalten gelingen kann. Die „Ballonübung“ spielt dabei eine wichtige Rolle und wurde bereits erfolgreich auf einer Versammlung von Gemeindemitgliedern, Vertreter_innen von Bergbaugesellschaften und Minenarbeiter_innen angewendet.
Der Ablauf der Übung ist recht simpel: Die Teilnehmer_innen erhalten von mir einen Zettel, einen Stift und einen Ballon. Auf den Zettel sollen sie ihren größten Wunsch schreiben (Gesundheit, Reichtum, eine glückliche Familie etc.) und ihn dann in den Ballon stecken. Der Ballon wird aufgeblasen und verschlossen. Im Anschluss stellen sich alle Teilnehmer_innen mit ihren Ballons in den Händen in einem Kreis auf. Jeder bekommt jetzt zusätzlich von mir noch einen Zahnstocher. Jetzt gilt es, dass die eigenen Träume nicht sprichwörtlich zerplatzen. Ich sage folgenden Satz: „Wer am Ende von 60 Sekunden noch seinen Ballon hat, dessen Träume sind nicht zerplatzt und er/sie hat die Übung gewonnen.“ Dann wird ein Countdown gestartet und die Teilnehmer_innen schützen entweder ihre eigenen Ballons, oder sie attackieren die der anderen. Nach dieser dynamischen Einheit wird in der Gruppe reflektiert. Aus den bisherigen Erfahrungen mit der Ballonübung in der Arbeit mit Gruppen in Bergbaugebieten kann ich sagen, dass die meisten Teilnehmer_innen dazu neigen, den Ballon der anderen mit Hilfe der bereitgestellten Zahnstocher zu zerstören. Sie denken, sie könnten so am besten das „Spiel“ gewinnen. Dabei entblößten diejenigen, die hinter den Ballons der anderen her waren, ihre eigenen Ballons und vernachlässigten deren Schutz. Mit anderen Worten: Bei dem Versuch, durch die Zerstörung anderer Ballons zu gewinnen, brachten sie meist ihre eigenen Ballons zum Platzen. Meist hören die Teilnehmer_innen auch nicht richtig zu, denn die Ansage der Moderation lautet „Wer am Ende noch seinen Ballon hat, hat gewonnen“. Was ja nichts anderes heißt, als dass wenn alle auf die Attacken mit den Zahnstochern verzichten würden, alle am Ende gewonnen hätten.
Bei den Übungen, die ich geleitet habe „gewannen“ meist diejenigen, die sich darauf konzentrierten, ihre eigenen Luftballons zu schützen. In der Regel überleben bei 25 Teilnehmer_innen nur etwa fünf Ballons und vier von denen gehören Frauen. Dieses Resultat unterstreicht nochmal die Relevanz von Frauen in ziviler Konfliktbearbeitung.
Am Ende der Übung erläutere ich den Teilnehmer_innen den Kerngedanken der Ballonübung: Wer sich darauf konzentriert die Träume anderer zu zerstören, wird auch seine Träume preisgeben müssen. Und, man kann Konflikte anders angehen, so dass alle am Ende gewinnen. Wir übertragen diesen pazifistischen Grundgedanken im späteren Verlauf unserer Arbeit mit den Bergbaugemeinden auf deren aktuelle Situation. Das ist ein gutes Fundament für weitere Zusammenarbeit!
von Dr. Emmanuel Ammetepeh / Friedensfachkraft FDS